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VGH-Urteil
Quasi-Aufhebung der gesetzlichen Verjährung

Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München (v. 3.7.1996 - 7 B 94.708) wurde die Verjährungsfrist für Rundfunkgebührennachzahlungen praktisch außer Kraft gesetzt. Laut (damals gültigem) Rundfunkgebührenstaatsvertrag verjährte der Anspruch auf Rundfunkgebühren nach 4 Jahren.

Damaliger, unzweideutig formulierter Wortlaut des Gesetzes:
§ 4, Abs. 4 RfGebStV: „Der Anspruch auf Rundfunkgebühren verjährt in vier Jahren.“

Aber das Gericht war eigensinnig und verkündete: „Die Berufung auf Verjährung ist wegen unzulässiger Rechtsausübung regelmäßig dann ausgeschlossen, wenn der Rundfunkteilnehmer pflichtwidrig die Geräte nicht anmeldet und sich dadurch einen Vorteil verschafft hat.“ ... „Dies hat zur Folge, dass die Rundfunkanstalt von Schwarzhörern und -sehern Rundfunkgebühren über die Verjährungsfrist hinaus grundsätzlich unbegrenzt nachfordern kann“.

Demnach werden Schwarzhörer und -seher schlechter gestellt, als gewöhnliche Kriminelle. Denn für Straftaten gibt es definitiv verlässliche Verjährungsfristen. Gleiches gilt für Geldnachforderungen in anderen Bereichen. Und da die Personengruppe der Gebührenmuffel für besonders renitent gehalten wird, darf sie sich auch nicht vor Gericht angemessen verteidigen. Es gelten vielmehr die Regeln eines Schnellverfahrens. Das gleiche Gericht weiter:

„... Ein objektiv rechtswidriges Verhalten des Rundfunk­teilnehmers reicht für die Unzulässigkeit der Rechtsausübung aus, da der Nachweis konkreten Verschuldens der Rundfunkanstalt aufgrund des damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwands in einem Massenverfahren nicht zugemutet werden kann.

D.h., es muss noch nicht einmal bewiesen werden, dass ein rechtswidriges Verhalten vorliegt. Diese erschreckende Rechtsauffassung ist im übrigen auch für die Verwaltungsgerichte vorbildhaft. Viele Gerichte berufen sich noch heute auf dieses Urteil und untergraben damit m.E. die Verlässlichkeit und Durchschaubarkeit unseres Rechtssystems. Verjährung ist dazu da, Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Verkehrssicherheit herzustellen und ist somit ein hohes Gut. Und ein Massenverfahren, das wie hier beschrieben keine ausführliche Beweiswürdigung mehr zulässt, verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG sowie gegen Art. 103 Abs. 1 GG, in dem es heißt: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör“.

Meines Erachtens nach ist dies eines der schlimmsten Willkür-Urteile (west-)deutscher Nachkriegsgeschichte!